Si Liyang, Varianten und Motiv-Transformationen .... von Walther Heissig

Leinen, 537 Seiten, Wiesbaden 1996, neu

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Walther HEISSIG:,,Si liyang“. Varianten und Motiv-Transformationen eines mongolischen Spielmannsliedes. Mit mongolischen Text-Transkripten von J. Rinindor ̃i. Wiesbaden: O. Harrassowitz 1996. 564 S. (= Asiatische For-schungen, Bd. 131), ISBN 3-447-03721-0. DM 184,–.Die Mongolen sind ein dichterisch begabtes Volk, und sie singen und sagen, daß es eine Lust ist, und früher gab es keine Hochzeit und keinen runden Geburtstag ohne den Vor-trag eines Spielmanns: Das gehörte dazu; und heute kommt es wieder, wird auch von den mongolischen Lokalsendern ausgestrahlt (ganz wie in Tôkyô der muntere Vortrag der Geschichtenerzähler). Was während der frühen 40er Jahre, während des von Stalin angerichteten Genozids und der Zerstörung der Mongolei verloren gegangen ist, das können wir im vollen Umfang nicht einmal erahnen – waren doch die Mongolen ein Volk von ,,Büchernarren“, die ihr Land vollgestopft hatten mit Büchern! Aber was üb-rigbleibt, was seit Mitte der 50er Jahre neu entdeckt und gesammelt und veröffentlicht wird, das füllt dicke Bände. Und immer kommt noch Neues hinzu. Neues: neu Entdecktes, neu Gedichtetes. Da starb ein alter Barde 1945; 1986, also 40 Jahre später ist der Autor seinem Enkel begegnet – und dieser hat ihm an die 13.000 Verse von seinem Großvater auf's Band gesungen (p. 12): Das war neu Entdecktes. Die Leute haben ein für unsere Begriffe phantastisches Gedächtnis. Die beiden Spielmänner, deren Texte im vorliegenden Buche veröffentlicht wurden (auf 300 Seiten), sind 1929, bzw. 1954 geboren: das, also, ist neu Gedichtetes in alter Form, mit der alten Prosodie und mit den alten, mehr oder minder festgelegten ,,Situationsmelodien“ – man denkt an Wagner-Motive! Der Vortrag des Spielmanns mag nämlich dem ungeübten Ohr als ein bloßer ,,Singsang“ erscheinen; er bedient sich jedoch einer Vielfalt von Standard-Melodien, von denen jede einzelne einer bestimmten Situation eigen ist: E. g. das An-kleiden und Wappnen eines Helden fordert die Melodie ,,A“; und sein Fortreiten die Melodie ,,B“; Melodie ,,C“ ist eigen dem Erkennen des Ziels der Reise etc. (es sind ihrer schätzungsweise 200). Kurioserweise ist das Sujet der nun vorliegenden Texte ein chinesisches: darum auch der chinesische Titel und viele chinesische Namen. Diese Tatsache verwundert, zumal die Sympathie der Mongolen für alles chinesische sich durchaus in Grenzen hält: sie haben auch niemals etwas von China angenommen (nicht einmal die Küche) – auch damals nicht, als sie über China herrschten – nur eben, zur Unterhaltung, die Sujets der sg. bensen üliger: aus chin. pen3-tzê, ,,das Heft, die Faszikel“, entnommene Geschich-ten. Nun, diese ,,chinesischen Heftel-G'schichten“ der mongolischen Spielmänner sind ebenso beliebt, wie sie zahlreich sind, und freilich passen sie die original-chinesische Handlung dem Geschmack des mongolischen Publikums an. Eigentlich sind es mongoli-sche Chinoiserien: ins Epische übertragene chinesische Romane, Novellen, Erzählungen chinesischer Geschichtenerzähler – und wohl auch der sog. ,,Peking Oper“, so überaus beliebt und volkstümlich. Die Handlungen sind – wie stets in China – pseudo-historisch und spielen am liebsten ,,vor tausend Jahren“ zur Zeit der T'ang-Dynastie, welche so-wohl durch den Glanz ihrer Blüte als durch die Tragik ihres Untergangs die Volksphan-tasie beflügelt.

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