Afghanistan, Land der Gegesätze, Sammlung Rahimi, von Gerhard W. Schuster

Softcover, 120 Seiten, farbig illustriert, Wien 2003, sehr gut

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Unter dem Titel "Afghanistan - Land der Kontraste" zeigt das Barockschloss Rammenau für acht Monate eine ethnologische Ausstellung, die in Kooperation mit der Sammlerfamilie Rahimy entstanden ist. Die aus Afghanistan stammende und in Wien lebende Händlerfamilie hat über Generationen eine einzigartige Sammlung afghanischer Gebrauchskunst zusammengetragen. Sechs große Sponsoren sind Partner der Ausstellung.
In 25 Jahren Bürgerkrieg und durch den Taliban-Fanatismus wurde die kulturelle Vielfalt des einst reichen Afghanistans nahezu vollständig zerstört. Das Barockschloss Rammenau präsentiert im Rahmen dieser Ausstellung einzigartige Dokumente und Schätze afghanischer Volkskultur, in der persische, hellenistische, römische, indische und arabische Strömungen ineinander fließen.

Die Ausstellung spannt den Bogen zwischen Krieg und Zerstörung, Tradition und Kultur, Perspektiven und Wiederaufbau. Gleich zu Anfang begegnet der Besucher der Zerstörung der großartigen Buddhafiguren im Bamiyan-Hochtal durch die Taliban und damit der Realität des heutigen Afghanistan. Was bedeutet die Zerstörung für die Menschen? Was geht unwiederbringlich verloren? In diesem Zusammenhang wird auch die Rolle von Museen und Sammlern für den Schutz kultureller Güter unterstrichen.

Nach Basisinformationen zur geographischen Situation beginnt eine "Reise" durch das Land Afghanistan mit Einblicken in die afghanischen Bevölkerungsgruppen und ihre Kunst sowie in die traditionellen afghanischen Lebensformen. Historische Ensembles, wie die komplett eingerichtete Jurte einer Turkmenenfamilie oder ein Wohnraum von Bergbewohnern Nuristans gewähren Einblicke in eine Kultur, die in dieser Form immer seltener wird. Höhepunkt der Ausstellung ist die originalgetreue Rekonstruktion eines afghanischen Basars.

Land der Gegensätze
Die Gegensätze des Landes zeigen sich schon in den geographischen Bedingungen. Während die Tiefebene von Amudarya auf 258 m liegt, ist fast die Hälfte des Landes über 1800 m hoch. Die Gebirgszüge des Pamir und des Hindukusch liegen teils weit über 7000 m.


Nomadentum war über Jahrhunderte die bewährte Lebensform, um unter extremen klimatischen Bedingungen und trotz häufigen Wassermangels zu überleben und gleichzeitig den Handel mit den angrenzenden Ländern zur Lebensgrundlage zu machen.

Die nomadischen Turkmenen, die im Nordwesten des Landes leben und der Gruppe der Turkvölker angehören, werden mit der für den zentralasiatischen Raum typischen Jurte vorgestellt. Die paschtunischen Nomaden zählen zu den größten Volksgruppen und sprechen ihre eigene nordiranische Sprache "Pashtu". Sie sind mit dem für das Nomadentum typischen schwarzen Ziegenhaarzelt sowie mit reich bestickten Kleidern und kunstvoll gearbeitetem Silberschmuck vertreten.
Als Vertreter der sesshaften Lebensform im Hochgebirge wird das Bergvolk Nuristans im Osten Afghanistans beleuchtet, das bis zur Islamisierung 1896 eine eigenständige Kultur bewahrt hatte. Typisch für dieses abgelegene Bergvolk sind die aufwändigen Holzschnitzereien. Ehrenstühle, Truhen, Fensterflügel aus Himalayazedernholz, beschnitzt mit alten Symbolen und Ornamenten erinnern an das Leben der "letzten Heiden" oder "Kafiren". Als Zeugnis nuristanischer Schnitzkunst nach der Islamisierung ist eine seltene Gebetsnische (Mihrab) aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zu sehen.

Religionen
Im Kampf um die Kontrolle der Seidenstraße, die durch Afghanistan führte, gewannen ab dem 7. Jahrhundert nach Christus die Araber an Einfluss. Mit ihnen fand der Islam zunehmend Verbreitung und löste nach und nach den Buddhismus ab. Im
10. Jahrhundert war Afghanistan bis auf die gebirgige Region Nuristans vollständig islamisiert.

Mit zwei wertvollen Buddhafiguren aus dem 3. und 6. Jahrhundert der vorislamischen Gandhara-Kunst, in der indische und römische Einflüsse verschmelzen, wird der Themenbereich Religion eröffnet. Die beiden Figuren gehören zu den herausragenden Afghanistan-Exponaten des Staatlichen Völkerkundemuseums München. Aus der islamischen Kunst werden aufwändig gedrechselte Koranständer und Schriften gezeigt. Neben der offiziellen Religion haben sich auch alte magische Vorstellungen im Volksglauben erhalten, der sich in Amuletten und Schmuckstücken, z. B. gegen den bösen Blick, widerspiegelt.
Eine Reihe seltener medizinischer Geräte und Gefäße vermittelt einen Überblick über die naturheilkundliche Volksmedizin. Eines der eindrucksvollsten Zeugnisse afghanischer Handwerkskunst ist der Silberschmuck, der gerade bei nomadisch lebenden Völkern Spiegelbild des Reichtums ist und zudem den sozialen Rang der Frauen signalisiert. Zu den herausragenden Exponaten zählt hier der turkmenische Brautschmuck.

Afghanischer Alltag
Typisch für das sesshafte Leben ist die althergebrachte Lehmziegelbauweise. Zur Veranschaulichung des bäuerlichen Lebens ist eine mit Hausrat und Keramiken eingerichtete Küche sowie ein authentisch ausgestatteter Sommerraum zu sehen. Die Anmutung der Lehmziegelbauweise findet sich auch als architektonisches Stilmittel in der Ausstellung wieder.


Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist ein Basar mit Händler- und Handwerksläden. Dazu gehören eine Apotheke, Läden für Hausrat, Keramik, Glaswaren, Antiquitäten, Pelze, Lebensmittel, Stoffe, Schuhe, Schmuck, Kleidungstücke sowie die Werkstätten eines Seilers, Schmieds und Schusters. Auch das Teehaus als wichtigster Treffpunkt der afghanischen Männergesellschaft und eine Moschee sind zu sehen. Die berühmten Wohlgerüche des Orients und auch die typischen Geräusche bis hin zum Ruf des Muezzins untermalen das bunte Basartreiben.

Von diesem historischen Ausschnitt afghanischen Alltagslebens führt die Ausstellung wieder in die Gegenwart. Es sind Musikinstrumente zu sehen, wie, z. B. die Flöten der Nomaden, Lauten, Trommeln und das aus Pakistan kommende Harmonium. In einem eigenen Abschnitt wird die Rolle der Frau thematisiert.

Impressionen und Perspektiven
Schautafeln zur Geschichte und den Landschaften Afghanistans runden die Ausstellung ab. Die letzte Station zeigt Impressionen aus dem Wiederaufbau und eröffnet einen Ausblick in die Zukunft des Landes.

Das Begleitbuch zur Ausstellung von Prof. Dr. Gerhard W. Schuster, dem wissenschaftlichen Leiter der Ausstellung, ist zum Preis von 19,90 EUR im Ausstellungs-Shop erhältlich.

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