Süsse Frucht Bittre Frucht China, von Nora Waln

Hardcover mit SU, 346 Seiten, Hamburg 1954, gut

China – Ein Leben zwischen Tradition und Umbrüchen

Die Walns und die Lins stehen schon seit Ende des 18. Jahrhunderts miteinander in Kontakt. Alles begann als Handelsbeziehung, doch persönlich trafen sie sich nie – zu weit, zu verschieden waren Amerika und China. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts fügte es der Zufall, dass Nora Waln auf ein Paar der Lin-Familie traf. Sie folgte ihrer Einladung nach China – und blieb. Für Jahre. Die zwanziger Jahre, eine Zeit der langegehegten Traditionen und heftigen politischen Umbrüche. Mit dem Selbstbewusstsein einer Amerikanerin erlebte Nora die Unruhen und Aufstände, Bürgerkriege und politischen Streitigkeiten. Und zeichnete auf.

Inhalt dieses kostbaren Buches ist nicht etwa eine politische Geschichte, sondern eine persönliche Aufzeichnung. Nora Waln beschreibt auf einzigartige Weise das traditionelle, teils strenge, aber doch auch liebevolle Familienleben in China. Selbst unter ganz anderen Bedingungen in Amerika aufgewachsen, Kind eines Chinesen und einer Schwedin, hat sie einen einzigartigen Blick für die Besonderheiten. Man spürt wie fernöstlich verblümt sehr bittere Erlebnisse Eingang finden – so, wenn die herumziehenden Soldatentrupps ungeschützte Häuser und natürlich vor allem Frauen überfallen. Und man fühlt wie die Zurückgezogenheit, die schützenden Traditionen immer zerbrechlicher werden bis die politischen Ereignisse alles umstürzen und nur die Ungewissheit der Zukunft bleibt.

Das Buch bezaubert den Leser sofort. Er taucht nicht nur in eine völlig fremde, sondern in eine vergangene Welt ein – vergangen erst in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, uns damit so nah wie ein nicht zu greifender Schmetterling.

Nora Waln hat ganz sicher auch verklärt geschrieben, doch schimmert immer wieder die Realität durch. Die erste Hälfte des Buches ist von Familienerlebnissen geprägt – Familie Lin nahm sie auf wie eine Tochter. Fast unmerklich finden die politischen Ereignisse Eingang und dominieren schließlich, doch bleibt es – wenn auch kein Tagebuch – so doch eine sehr persönliche Reiseaufzeichnung, die mit zauberhafter Einzigartigkeit von einer untergegangenen Welt berichtet.

Ein kostbares Buch, zu Unrecht vergessen und jedem, der sich für China interessiert oder Reiseaufzeichnungen mag wärmstens ans Herz gelegt!

Autor: Nora Waln
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