Softcover, 122 Seiten, Le Mont Pélerin 2000, neu
In diesem Buch beschreibt Gesche zuerst die zentrale Bedeutung, die der Geist in allen unseren Erfahrungen, Entscheidungen und Handlungen während des ganzen Lebens hat. Daraus zeigt Gesche die Notwendigkeit, die Natur und die Zustände des Geists genau zu verstehen.
Unser Geist durchläuft jeden Tag drei grundlegende, unterschiedliche Zustände. Aus diesen dreien können wir lediglich den wachen Zustand des Geistes bewusst nutzen. Die weiteren zwei Zustände sind Traum und Schlaf. Diese beiden sind subtiler und deshalb in ihrer Natur auch wesentlich wirksamer als der wache Zustand. Ohne besondere Voraussetzungen ist es uns aber nicht möglich, diese wertvollen Zustände bewusst zu nützen.
Genaue Beschreibungen der Zustände von Traum und Schlaf, ebenso wie Methoden zur Benützung dieser Zustände werden in den Überlieferungen der Tantras gegeben. Aus diesen Quellen zeigt Gesche das grundlegende Training des Geistes während des Tages und vor dem Einschlafen, mit dem man über diese subtilen Zustände des Geistes Kontrolle gewinnen kann.
Textauszug:
Wir wissen sicher aus eigener Erfahrung, dass es Dinge gibt, die wir sehr gerne sehen, an denen wir uns nicht sattsehen können; oder auch Dinge, die wir sehr gerne hören, so dass wir selbst andere Arbeiten unterbrechen, um ihnen zuzuhören. Ebenfalls gibt es Dinge, denen wir aus dem Weg gehen, die wir nicht sehen möchten, die wir nicht hören möchten, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Das alles muss nicht erst mit komplizierter Logik bewiesen werden, denn diese Dinge sind uns aus unserer eigenen Erfahrung sehr klar.
Ob es sich nun um etwas handelt, das uns angenehm ist, oder um etwas, das uns unangenehm ist, immer erscheint es uns so, als ob es von seiner eigenen Seite her bestünde. Das Unangenehme erscheint uns als ein externes, konkretes, unangenehmes Objekt, und das Angenehme ebenso. Wenn Sie sich zum Beispiel an jemanden erinnern, den Sie nicht mögen, und Ihnen diese Vorstellung in den Sinn kommt, dann ist sie begleitet von der Auffassung, dass dieser Mensch aus sich heraus, in sich selbst als etwas Unangenehmes und Schlechtes existiert. Eine solche Auffassung der äußeren Wirklichkeit haben wir, auf sie vertrauen wir vollständig, und wir richten unsere ganze Handlungsweise danach. Wir handeln in vollem Vertrauen darauf, dass die äußeren Dinge in ihrer Natur genauso unangenehm oder angenehm sind, wie sie uns erscheinen.
Wenn wir jedoch wirklich nachdenken und den Sachverhalt genau untersuchen, können wir feststellen, dass uns die Dinge zwar als schön und wüst, als angenehm und unangenehm erscheinen, so als ob diese Eigenschaften in den Objekten selbst vorhanden wären; genauere Überlegungen jedoch machen deutlich, dass diese Eigenschaften hauptsächlich vom eigenen Geist produziert werden. Es sind Eigenschaften, die der Geist macht und dann als Eigenschaften der Objekte empfindet. Der Geist benimmt sich so, dass er etwas Unangenehmes als im Objekt selbst vorhanden empfindet und aufgrund dieser Einstellung handelt. Das gleiche gilt für angenehme Dinge. Der Geist erstellt die Grundlage dafür, dass er das Objekt so erfährt, als ob es in sich angenehm wäre.
Am deutlichsten können Sie das mit einem Gemälde als Objekt feststellen. Dem einen wird es ganz besonders gut gefallen, und er wird sogar ein großes Vermögen auf den Tisch legen, um es zu besitzen. Dem andern ist schon der Anblick dieses Gemäldes so unangenehm, dass er, ganz abgesehen davon, dass er es nicht besitzen möchte, nicht einmal den Gedanken hat, es auch nur einen Augenblick länger anzusehen. Dass dasselbe Objekt von einer Person als besonders attraktiv betrachtet werden kann und von einer anderen als abschreckend und unangenehm, macht deutlich, dass diese Eigenschaft der Schönheit und der Hässlichkeit nicht im Objekt selbst vorhanden ist, sondern dass es eine Wendung des Geistes der einzelnen Personen ist, die diese Wahrnehmung des Objektes als schön oder hässlich hervorruft.
Fragt man nun, wem man vertrauen kann, dem, der das Bild schön findet, oder dem, der es hässlich findet, dann wird der eine eine ganze Reihe von Begründungen aufzählen können, weshalb das Bild sehr schön und wertvoll ist, und der andere, weshalb das Bild nichts wert und hässlich ist. Deshalb kann man sich weder auf den einen noch auf den andern verlassen, sondern muss als Wertung die individuelle Empfindung des einzelnen akzeptieren.
Dass Personen Objekte so unterschiedlich empfinden und wahrnehmen können, macht deutlich, dass diese Eigenschaften nicht im Objekt selbst vorhanden sind, sondern dass sie in Verbindung mit dem Wahrnehmenden auftreten. Denn wenn die Eigenschaften des Guten oder des Bösen im Objekt selbst oder in der Person selbst unabhängig vorhanden wären, müsste das gleiche Objekt immer gleich erscheinen, immer gleich wahrgenommen werden. Ganz allgemein betrachtet muss deshalb deutlich gemacht werden, dass Eigenschaften wie Unangenehm und Angenehm, Schön und Hässlich nicht im Objekt innewohnend sind, sondern dass diese Erfahrungen von der Betrachtungsweise des Beobachters abhängen.
Selbstverständlich gibt es Dinge, die als schlecht zu bezeichnen sind, und solche, die als gut zu bezeichnen sind. In Abhängigkeit von klaren, unwiderlegbaren Begründungen kann deutlich gemacht werden, ob etwas gut oder schlecht ist; aber dabei ist nicht die Wahrnehmung des Beobachters das Kriterium, sondern die korrekte Begründung.
Diese Tatsache sollte man nicht einfach feststellen, sondern man sollte sich diese Erkenntnis zu eigen machen, und die Dinge anders in Angriff nehmen, als man es bisher getan hat. Bisher hat man sich vollständig auf die Wahrheit der eigenen Beurteilung verlassen, darauf, wie einem selbst die Dinge erscheinen, und in vollem Vertrauen auf das eigene Urteil große Dinge unternommen. Es sollte einem deutlich werden, dass das Gut- oder Schlechtsein eines Objektes in großem Maß vom Beobachter abhängt, und aus dieser Einstellung heraus sollte man nicht wie bisher blindlings vorgehen, ohne weiter darüber nachzudenken.
Autor: | Gesche Rabten, Geshe Rabten |